Vor 50 Jahren schuf BMW mit der Grundsteinlegung des Dingolfinger Werks die Basis für die Erfolgsgeschichte des gesamten Unternehmens. Eberhard von Kuenheim plädiert für ein neues Denken.
Von Gerd Otto
DINGOLFING. Es hätte nicht der Coronapandemie bedurft, um heutige Geschäftsmodelle zu hinterfragen und auf notwendige Veränderungen abzuklopfen. Denn die Automobilbranche zum Beispiel steht unabhängig von den wirtschaftlichen Auswirkungen des Virus schon seit Langem vor dramatischen Umbrüchen, die unter anderem mit fortschreitender Digitalisierung oder auch der Dekarbonisierung beschrieben werden. Dass man auch früher bereits mit derartigen Herausforderungen konfrontiert war, daran wurde jetzt in Dingolfing erinnert, wo vor 50 Jahren der Grundstein für das BMW-Werk gelegt wurde. Als an dem heute größten Fertigungsstandort der BMW Group in Europa 1973 nach dreijähriger Bauzeit das erste BMW-Automobil vom Band lief, waren Wirtschaft und Gesellschaft mitten drin in der ersten Ölkrise.
Ungünstige Startbedingungen
In der Tat seien, so der langjährige Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzende Eberhard von Kuenheim in einem Interview mit dem Dingolfinger BMW-Pressesprecher Bernd Eckstein, die Startbedingungen damals alles andere als günstig gewesen. Entsprechend harsch ging man in jenen Jahren mit der Entscheidung des jungen Vorstandschefs um, drei Jahre nach der Übernahme der Hans Glas GmbH, die ein Jahrzehnt zuvor mit dem Goggomobil für Furore gesorgt hatte, in ein neues Automobilwerk zu investieren. BMW habe die Zeichen der Zeit nicht erkannt, zitiert der 92-jährige von Kuenheim seine Kritiker, das Automobil sei doch am Ende.
Eingeschlagenen Weg gegen alle Widerstände zu Ende gegangen
Heute betont der Vorstandschef der Jahre 1970 bis 1993, dass die Entscheidung für Dingolfing überhaupt erst die Basis für die Erfolgsgeschichte der Bayerischen Motorenwerke geschaffen habe: „Es hat sich gelohnt, den eingeschlagenen Weg auch gegen Widerstände zu Ende zu gehen.“ Wahre unternehmerische Erfolge zeigten sich schließlich nur langfristig. Was in drei oder sechs Monaten geschehe, sei oftmals gar nicht so relevant. Einen unschätzbaren Wert gebe es aber, und der heißt nach Auffassung von Eberhard von Kuenheim: Zukunftsfähigkeit. Auch wenn dieser Wert nicht in der Bilanz stehe und selbst im Jahresabschluss auf den ersten Blick nicht sichtbar sei, verberge sich hinter diesem Begriff das wertvollste Gut von Unternehmen und Gesellschaften.
Bei BMW hat die Transformation längst begonnen
Dass dies gerade für den Standort Dingolfing zutrifft, darauf verweist der Betriebsratsvorsitzende Stefan Schmid, wandelt sich der Standort in Niederbayern doch immer stärker von einem Produktions- zu einem Technologiestandort. Mit dem vollelektrischen BMW iNEXT, der hier im kommenden Jahr anlaufen wird, vertraue das Unternehmen diesem Werk seinen absoluten Innovationsträger an. Schmid ist jedenfalls überzeugt: „Bei BMW in Dingolfing hat die viel zitierte Transformation längst begonnen.“
Und wie beurteilt der legendäre BMW-Chef das Geschäftsmodell mit der individuellen Mobilität und speziell dem Automobil? Die Mobilität von Menschen und Gütern, so Eberhard von Kuenheim, sei nicht die Folge, sondern die Grundlage unseres Wohlstands. Umso dringlicher müsse die Frage beantwortet werden, wie individuelle Mobilität zukunftsfähig gestaltet werden könne – „und zwar durch neues Denken und technische Innovationen und nicht durch Verbote.“