Architekten formen die Stadt der Zukunft. Schön fürs Auge soll sie sein, vor allem aber muss Architektur zwei Probleme lösen: den zunehmenden Platzmangel und die Klimakrise.
Von Jonas Raab
REGENSBURG/AMBERG. Opulente Glaskuppeln verschlingen ganze Metropolen, darunter fahren Häuser auf Schienen: So stellten sich Künstler zu Beginn des 20. Jahrhunderts die urbane Zukunft vor und verewigten ihre Visionen auf Postkarten. Zeitgleich schickte sich der junge Walter Gropius an, die moderne Architektur zu formen und rief das Bauhaus ins Leben. Gerade Linien, kubische Formen, minimalistischer Stil: Für viele von Gropius‘ Zeitgenossen ein Frevel. Und heute?
Heute gibt es eine Handvoll besonders kühner Projekte, die im weitesten Sinn an diese Postkarten erinnern und auf den Titelseiten einschlägiger Architekturzeitschriften als Visualisierung der architektonischen Zukunft dienen. Das Hochhaus „1 Bligh Street“ in Sydney ist so ein Beispiel. Es hat eine ovale Grundform, ist vollständig verglast und steht auf 20 Meter hohen Stelzen, nimmt also keinen Meter öffentliche Fläche in Anspruch. Dafür wurde der deutsche Architekt Christoph Ingenhoven 2012 mit dem internationalen Hochhauspreis ausgezeichnet. Während vor allem in Asien schwindelerregende Wolkenkratzer mit nahezu einem Kilometer Höhe tatsächlich an den Wolken kratzen, hat die deutsche Neubaurealität wenig mit den Postkarten von damals gemein. Das Gros der jüngsten Bauprojekte ist am ehesten Gropius und seinem Bauhaus zuzuordnen: schlicht und minimalistisch. Im Idealfall gehen sie eine Symbiose mit dem historischen Bestand ein. Er prägt die Erscheinung unserer Städte nach wie vor am meisten. Und morgen?
Morgen soll die urbane Architektur vor allem zwei Probleme lösen: Platzmangel und Klimakrise. Auch hier gibt es eine Handvoll Projekte, die zeigen, wohin die Reise gehen wird, das Rubina-Haus am Regensburger Galgenberg beispielsweise. Der klimaneutrale Hybridbau besteht zum größten Teil aus Holz, zeichnet sich optisch durch gerade Linien aus und wird zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien versorgt (siehe Beilage „Wirtschaftsraum Techcampus“). Dem anderen Problem, Platzmangel, begegnen Architekten mit Mischnutzungs-Konzepten: In Amberg entsteht ab 2022 ein moderner Neubau mit rund 50 Wohneinheiten, Raum für Dienstleister, einer Tiefgarage und einem Lebensmittelmarkt – mitten im historischen Umfeld am Spitalgraben. Roland Seissler ist Projektentwickler beim Immobilien- und Bauunternehmen Ten Brinke und leitet das Amberger Projekt. Im Interview erklärt er, welche Trends die Architektur von morgen prägen werden.
Die Architektur der Zukunft ist eine Symbiose aus Alt und Neu
Roland Seissler, Projektentwickler beim Immobilienunternehmen Ten Brinke, spricht im Interview über die Herausforderungen der städtischen Architektur der Zukunft. | Foto: Ten Brinke